Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat über eine Kleine Anfrage die Bundesregierung zur Situation der Integrations- und Berufssprachkurse während der COVID-19-Pandemie befragt. Letzte Woche wurden sämtliche 60 Fragen und Antworten
veröffentlicht.
Gefragt wurde u.a. ob die Bundesregierung plant, das Stundenkontingent für die Integrationskurse zu erhöhen. Die Bundesregierung hält das in der Integrationskursverordnung (IntV) festgelegte Stundenkontingent des Integrationskurses für ausreichend. Das jeweilige individuelle Kontingent würde durch etwaige Kursunterbrechungen nicht geschmälert und begründet das mit einer sich nicht veränderten Bestehensquote von B1 im DTZ und weist auf die Wiederholerkurse im Integrationskurs und die Anschlussmöglichkeiten in den Berufssprachkursen hin. Wir sehen das etwas kritischer, denn es werden nur die Lernenden erfasst, die in den Kursen weitergelernt haben. Diejenigen, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr an den Kursen teilnehmen, können ihren Sprachstand in der Regel nicht eigenständig sichern. Zudem halten wir die Berufssprachkurse mit dem Zielniveau A2 und B1 konzeptionell nicht für geeignet, Lücken aus dem Integrationskurs zu schließen. Nach Aussagen der Bundesregierung hat die Zahl der begonnenen und wiederaufgenommenen Kurse in den Monaten August bis November 2020 annähernd die Werte des Vorjahres erreicht. Seit Mitte Dezember 2020 ist das Kursgeschehen allerdings erneut stark eingeschränkt und besondere Herausforderungen bestünden beispielsweise bei der Gruppe der noch nicht Alphabetisierten.
Es fällt auf, dass auf sehr viele Fragen nach Maßnahmen auf verschiedenste Problemlagen auf die Pandemiezulage verwiesen wird: Kompensation geringerer Teilnehmendenzahlen, erhöhte Lehrkräftehonorare für Mehraufwand beispielsweise in Modell 5, Kauf von Tablets, WLAN, Support etc.. Für die Kompensation all dieser Problemlagen reicht die Pandemiezulage allerdings in der Praxis oft nicht aus.
Eine Unterstützungsform, die an keiner Stelle genannt wird, ist Beratung und Unterstützung. Unter Corona wurde deutlich, dass der Bund das BAMF an dieser Stelle mit zu geringen Ressourcen und anscheinend auch nicht mit einem klaren Auftrag ausgestattet hat. Im hauseigenen
BSK-Journal
beschreiben Interviewpartner des BAMF die Schwierigkeiten, die sie im Laufe des Jahres mit viel Try-and-Error bewältigen mussten. Zudem wird in den Interviews deutlich, wie hoch der Betreuungsaufwand, den das BAMF unter dem Begriff "Onboarding" subsumiert und nicht refinanziert, tatsächlich war. Eine Unterstützung des BAMF durch best-practice, Fortbildungen und Austausch wäre geeignet gewesen, Synergien zu bündeln, Informationen bereit zu stellen und Schwierigkeiten zu glätten. Auch im Bereich der Bund-Länder-Kommunikation zu unterschiedlichen Durchführungsregelungen in den Coronaschutzverordnungen der Bundesländer, den Impfberechtigungen für Lehrkräfte und Schnellteststrategien in Kursen ist ein Prozess bisher nicht erkennbar. Im Bereich der zentralen und dezentralen Beratung sowie Information müsste der Bund deutlich mehr Kapazitäten zur Verfügung stellen, für deren Aufbau externe Beratung unter Einbezug der Praxis hinzugezogen werden sollte.
In der Kleinen Anfrage wird vom BAMF an keiner Stelle auf die Personalebene der kursplanenden und -verwaltenden Kolleg*innen verwiesen, die tatsächlich aber den Flaschenhals für die Einsetzung und Durchführbarkeit von Kursen darstellen. Diese extrem wichtige Stellschraube wurde offensichtlich in den Lösungen an keiner Stelle aktiv mitgedacht. Hier ist der o.g. Beratungs- und Informationsbedarf - nicht nur unter Corona - extrem hoch. Hier angesetzte Maßnahmen wie Entbürokratisierung, Rechts- und Planungssicherheit, eine Verwaltungspauschale und bessere Informationsstrukturen wären u.E. sehr wirkungsvoll gewesen.
Eine wichtige Unterstützung für die Träger und Lehrkräfte war SODEG. Bis zum 31. Dezember 2020 wurden insgesamt 1.525 SodEG-Anträge (Erst- und Folgeanträge) von Integrationskursträgern gestellt. 68,7 Prozent der Träger von Integrationskursen, die SodEG-Zuschüsse beantragt haben, haben die Weiterleitung des Zuschusses an die Honorarlehrkräfte im Antrag zugesichert.
Auch wenn Lehrkräfte über SODEG mitgedacht wurden, zeigt sich, dass sich das System vom paternalistischen Ansatz hin zu grundsätzlicher sozialversicherungspflichtigen und tarifgerechten Beschäftigung der Lehrkräfte hin entwickeln muss. Es braucht Verlässlichkeit und nicht Zufälligkeit, ob man als Lehrkraft zu den 68,7 % gehört, ob man als Lehrkraft von der Pandemiezulage über ein erhöhtes Honorar profitiert, ob man als Lehrkraft ein Impfangebot erhält etc..