Zum Jahreswechsel werden die Honorare für freiberufliche Lehrkräfte von Integrations- und Berufssprachkursen von 35 Euro auf 41 Euro pro Unterrichtseinheit angehoben. Auch die Integrations- und Berufssprachkurse selbst werden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer besseren Finanzierung ausgestattet und erhalten zum 01. Januar jeweils 50 Cent mehr pro Teilnehmenden und Unterrichtsstunde.
Es ist erfreulich, dass trotz der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen dieser notwendige Schritt angegangen und umgesetzt werden konnte und wir begrüßen dies ausdrücklich als Erfolg aller Beteiligten.
Öffentlichkeit und Politik sehen mit der Erhöhung nur diese Spitze des Eisbergs,
Praktiker sehen mit Sorge auch seinen verborgenen Teil
Der Erhöhung der Kursfinanzierung schließt mit 50 Cent pro Teilnehmer pro Unterrichtsstunde wie bereits 2016 nicht an die Erhöhung des Mindesthonorars an.
Durch die Kopplung der Kursfinanzierung mit der Erhöhung des Mindesthonorars um 6 € kann ein Kurs finanziell erst ab dem 13. Teilnehmenden von der aktuellen Erhöhung des Kostenerstattungssatzes um 50 Cent/ TN/ UE profitieren.
Zumindest theoretisch, denn eine hinreichende Kursfinanzierung ist voraussetzungsvoll und ein Kurs kann selten komplett abgerechnet werden
Ein Sprachkurs muss durchgehend vom ersten bis zum letzten Modul genügend Teilnehmende haben, die ununterbrochen anwesend sind oder deren Fehlzeiten entsprechend als entschuldigt gelten. Die einzige Sicherung ist die Garantievergütung, die von der Anzahl der Teilnehmenden bestimmt wird, die am 1. Unterrichtstag tatsächlich anwesend sind (max. 15 TN). Hier liegt schon der erste große Stolperstein für eine planbare Kursfinanzierung, denn manchmal kommen am ersten Tag auch nur mal 10 TN.
Wenn die Teilnehmenden – ein Teil davon sind Analphabeten – im falschen Kästchen unterschreiben oder im Laufe des Spracherwerbs ihre Unterschrift verändern, werden diese Unterrichtsstunden in den Abrechnungen des BAMFs in Abzug gestellt.
Nicht entschuldigte Fehlzeiten fallen ab der o.g. Garantievergütung komplett aus der Kursfinanzierung heraus. Wir können - und wollen - uns unsere Teilnehmende nicht „backen“, sondern bekommen sie so, wie sie sind: Den traumatisierten jungen Geflüchteten, der es nicht schafft, während einer akuten Depression beim Arzt ein Attest abzuholen genauso wie die junge Mutter, die am ersten Krankheitstag ihres Kindes nicht sofort zum Kinderarzt geht, sondern sich das Kind gesund schlafen lässt. Und ja, auch die, die es aus dem ein oder anderen Grund nicht schaffen, regelmäßig teilzunehmen, gehören zu unseren Kunden. Auch wenn es Hemmnisse gibt, dass jemand regelmäßig teilnehmen kann und sozialpädagogische Intervention nötig wird, müssen die Träger die Ausfallkosten dieser Teilnehmenden und häufig auch die Finanzierung der sozialpädagogischen Beratung selbst tragen. Das führt dazu, dass einzelne Module schnell ins Minus rutschen.
Das ist aber nicht nur ein finanzieller Stolperstein, sondern natürlich möchten wir, die wir in diesem Beruf tätig sind, diese Fehlzeiten mit unseren Teilnehmenden gemeinsam qualitativ durch gute Beratung und Begleitung bearbeiten. Die Mittel für sozialpädagogische Beratung stehen in den Integrationskursen nur sporadisch zur Verfügung, so dass das durchgehende Angebot einer professionellen sozialpädagogischen Fachkraft für die Träger nicht finanzierbar ist und diese Begleitung „nebenbei“ gemacht werden muss.
Es gab in den letzten Jahren insgesamt weniger Teilnehmende und auch die, die sozusagen idealtypisch vom ersten bis zum sechsten Modul in einem Integrationskurs verbleiben und damit geregelte Kursfinanzierung sichern, werden weniger. Schon jetzt ist es mit einem Abflachen der Teilnehmerzahlen in vielen Regionen, vor allem im landnahen Raum oder Kleinstädten, oft nicht mehr möglich, ausreichend finanzierte Kurse mit genügend Teilnehmenden an den Start zu bringen und noch dazu die Finanzierung bis zum letzten Modul zu halten. Die Lernbiografien der Teilnehmenden sind heterogen und lassen sich nicht 1:1 durchgehend von Modul 1 bis 6 in einem Integrationskurs abbilden: es gibt späte Einstiege von Menschen, die bereits in ihrem Heimatland A1 gemacht haben, genauso wie Menschen, die ein Modul wiederholen und am Ende eines Kurses kein Stundenkontingent mehr haben, das ein Träger abrechnen kann.
Diese Finanzierungslücken sind bereits im System angelegt, das finanzielle Risiko dafür liegt allein beim Träger. Bisher haben viele Träger das erste Integrationskursmodul zum Teil mit nur wenigen Teilnehmenden durchgeführt, weil man wusste, dass man im zweiten Modul Anmeldungen hat, die das dann ausgleichen. Mit so einer Mischkalkulation wird man nicht reich, aber man schafft so wenigstens ein Sprachkursangebot, das alle mitnimmt. Das wird mit den neuen Finanzierungssätzen, die dafür keinen Spielraum lassen, nicht mehr möglich sein.
Wir fühlen uns unseren Teilnehmenden und ihrem Spracherwerb verpflichtet und möchten Kurse auch dann nicht abbrechen müssen, wenn im letzten Modul ein Teil der Teilnehmenden ihr Stundenkontingent aufgebraucht hat und beispielsweise nur noch 11 Teilnehmende abgerechnet werden können. Doch diese, in der Praxis immer wieder auftauchenden, unterfinanzierten Module müssen wir uns für unsere Teilnehmenden erst einmal leisten können.
Unter diesen Gegebenheiten schaffen es viele Kurse gar nicht erst in den Finanzierungskorridor, in dem sie real von der Erhöhung des Kostenerstattungssatzes profitieren könnten.
Die angeführten systembedingte Finanzierungslücken wird die neue Finanzierung ab 01.01.21 offensichtlich nicht füllen können. Der Bund muss die realen Bedingungen der Integrations- und Berufssprachkurse dringend mit einer angepassten Finanzierungsstruktur unterfüttern, statt die Lasten an die Träger auszulagern.
Wer nur das Honorar, parallel dazu aber nicht die Kursfinanzierung stärkt, verkennt zudem, dass in der Verwaltung bzw. Koordinierung festangestelltes Personal mit einer akademischen Bildung oder mindestens einer BAMF-Zulassung tätig ist: als Prüfungsbeauftragte, als Fachaufsicht etc.. Diese Arbeit und auch die Arbeit der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Lehrkräfte muss ebenfalls angemessen bezahlt werden und darf nicht auf den Niedriglohnsektor zurückgeworfen werden.
Während die Kursfinanzierung immer dünner und weniger berechenbar wird, verdichten sich die Anforderungen an die Kolleg*innen, die Kurse planen, koordinieren und pädagogisch begleiten. Die enge Ankopplung der Kurse an die Arbeitsverwaltung und die Idee des Förderns und Forderns bringen einen erhöhten Dokumentations- und Abstimmungsbedarf mit sich, der zu einem beträchtlichen Teil an die Träger ausgelagert wurde, ohne parallel dafür entsprechende Finanzierungen zur Verfügung zu stellen.
Die Erhöhung der Kursfinanzierung um 50 Cent reicht bei weitem nicht aus, denn die realen Bedingungen, die im System angelegten, Finanzierungslücken sowie die Kostensteigerungen der letzten 4 Jahre durch Erhöhung der Gehälter, Mieten, Nebenkosten usw. werden damit nicht abgedeckt. Die ersten Träger haben bereits Integrationskurs-Module storniert, da unterfinanzierte Module zukünftig nicht mehr durch eine Mischkalkulation aufgefangen werden. Ob sich für die Teilnehmenden unter diesen Rahmenbedingungen in Zukunft noch kohärente Kursverläufe ohne Modulhopping umsetzen lassen, ist fraglich.
Wir brauchen neben einer höheren Kostenerstattung Finanzierungsstrukturen, die auf positiv gestaltende Impulse setzen, Planungssicherheit geben und die Träger nicht dazu zwingt, die Kurse möglichst voll zu besetzen.