Die Zahl der ukrainischen Geflüchteten, die Deutsch lernen möchten, steigt täglich an. Viele Kommunen, aber auch Sprachkursträger reagieren bereits schnell und unbürokratisch mit kommunal oder privat finanzierten Sprachkursangeboten auf den Bedarf und setzen dabei auf ihre Expertise und erprobte Strukturen von 2015/ 2016. Während man 2015 mangels staatlicher Angebote auf ehrenamtliche Sprachförderung zurückgreifen musste, signalisiert der Bund in der aktuellen Situation erfreulicherwiese sehr früh, Integrationskurse
für ukrainische Geflüchtete öffnen zu wollen. Wir hoffen, dass es dazu zeitnah Informationen geben wird.
Eine Öffnung der Integrationskurse alleine wird dem Bedarf nicht gerecht werden:
Parallel braucht es als Ergänzung zu den Integrationskursen bedarfsorientierte und niedrigschwellige Sprachförderangebote (digital und in Präsenz) für Menschen, die primär noch mit den drängendsten Fragen der unmittelbaren Lebensgestaltung befasst sind und noch nicht wissen, wo und wie sie zukünftig leben werden.
Der Anteil geflüchteter Mütter mit Kindern ist hoch. Die aktuell zur Verfügung stehende Konzeption der Integrationskurse mit Kinderbetreuung wird den zu erwartenden Bedarf nicht auffangen können. Die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen können schon für den "Normalbetrieb" nur von einem kleinen Teil der Träger umgesetzt werden.
Es braucht rechtzeitig einen fachlichen Diskurs, wie die Förderprogramme die jeweiligen Stärken professioneller und ehrenamtlicher Spracharbeit konzeptionell einbinden, so dass sie sich möglichst gut ergänzen.
Es müssen Angebote für geflüchtete Deutschlehrer*innen aus der Ukraine entwickelt werden, sowohl für eine Arbeitstätigkeit in Deutschkursen als auch in einer möglichst unkomplizierten Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation. Menschen auf der Flucht haben selten ihre Diplome dabei.
Lernende mit Fluchthintergrund benötigen Begleitung und Beratung. Die Konzeption der Lernbegleitung und Sozialbegleitung in Integrationskursen
wird von den Praktiker*innen als zu bürokratisch und auch konzeptionell als wenig hilfreich empfunden und sollte vereinfacht und vor allem über alle Module hinweg verstetigt werden. Hier braucht es schnelle Lösungen, da ein Beratungsvakuum unmittelbar zu Lasten des Unterrichts und der Lehrkräfte geht.
Finanzkrise 2008, Fluchtbewegung 2015/16, Pandemie seit 2020, Krieg gegen die Ukraine 2022 - zwar ist in unserem Arbeitsbereich Krise das neue "normal", aber jede dieser Krisen fordert uns auf ihre eigene Art immer wieder neu heraus. Dafür benötigen wir Räume für Fortbildung, Reflexion und Austausch. Zwar haben wir mittlerweile die ZQ Trauma zur Verfügung, aber das ist nicht ausreichend und deckt sowohl konzeptionell als auch inhaltlich nur einen kleinen Teil unseres Fortbildungsbedarfs
ab.
Die ZQs werden dem Bedarf nicht gerecht und es braucht dringend eine Reform - oder zumindest kleine Anfänge. Fortbildung und Austausch für Lehrkräfte UND Fachbereichsleitungen sind kein "nice to have" für irgendwann einmal, sondern unabdingbare Notwendigkeit.
Verwaltungsprozesse müssen dringend vereinfacht, Informationsprozesse optimiert werden und Finanzierung erhöht werden, um Fachbereichsleitungen, Verwaltung und Lehrkräften bei einer Ausweitung der Angebote den Rücken freizuhalten.
Wir gehen davon aus, dass der Bedarf an Lehrkräften steigt und plädieren dafür, Fachkräfte zurückzugewinnen statt die Zugangsvoraussetzungen zu senken. Gute Lehrkräfte benötigen ein professionelles Umfeld. Aufgrund der prekären Arbeitsbedingungen während der Pandemie haben wir bereits einen Teil hervorragender Fachkräfte an andere Arbeitsbereiche verloren. Bessere Arbeitsbedingungen wären ein attraktives Signal, Lehrkräfte und Fachbereichsleitungen zu halten bzw. zurück zu gewinnen.