Unter der Überschrift "Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt verhandelt die Ampel in der Arbeitsgruppe 19 die Themenschwerpunkte
"Flucht, Migration, Integration". Die verhandelnden Politiker*innen, die wir als BVIB auf unseren Reformbedarf aufmerksam gemacht haben, sind
Für die SPD: Boris Pistorius, Frank Schwabe, Nancy Faeser, Aydan Özoguz
Für die Grünen: Luise Amtsberg, Erik Marquardt, Dirk Adams, Filiz Polat
Für die FDP: Dr. Joachim Stamp, Dr. Hans-Ulrich Rülke, Linda Teuteberg, Stephan Thomae
Was erwarten wir von einer neuen Regierung?
Ganz grundlegend erwarten wir, dass die Integrations- und Berufssprachkurse nicht nur autoritär und direktiv von oben nach unten gedacht werden, sondern auch von unten nach oben.
Eine top-down-Steuerung, die alle Ebenen und Prozesse dominiert, ist einem Bildungsbereich nicht angemessen.
Was würde das verändern?
Wir würden vom Bedarf ausgehen und damit würde sichtbar, dass ein Zugang zum Integrationskurs für Menschen unabhängig vom Aufenthaltsstatus nötig wäre. Wir als Lehrende machen immer wieder die Erfahrung, dass wir Menschen, die zu spät Zugang zur Sprachförderung bekommen, auch in ihrem weiteren Spracherwerb und der Verfolgung ihrer beruflichen Ziele ungleich schlechter unterstützen können. Zu einem niedrigschwelligen Angebot gehört auch, dass Menschen einen Integrations- oder Berufssprachkurs (und auch Digitalisierung) finanzieren können.
Migration ist ein dynamischer Prozess. Entwicklungen, Bedarfe, Probleme, aber auch Chancen werden in den Integrations- und Berufssprachkursen zuallererst von den Praktiker*innen gesehen: Lehrkräfte, SozPäds, Fachbereichsleitungen, Trägern, aber auch von Teilnehmenden. Wenn das BAMF unsere Beobachtungen systematisch und konsequent regional vor Ort und weiteren Steuerungsebenen einbinden würde, würden passgenauere und zeitnahere Lösungen entwickelt werden können.
Fragen und zuhören als grundlegene Haltung!
Bürokratieabbau und Digitalisierung würden das gesamte System effizienter und damit auch kostengünstiger machen. Schlagworte wie Bürokratieabbau oder Digitalisierung verpuffen gänzlich, wenn es nicht zu einer Änderung der Perspektive kommt. Digitalisierung ist kein Wert an sich, wenn sie von oben und nur aus der Nutzenperspektive seitens des BAMF definiert wird. Bürokratieabbau ist kein Wert an sich, wenn das BAMF die Bürokratie auf Seiten des BAMF abbaut und stattdessen die Prozesse an Jobcenter und Träger auslagert und erweitert.
Eine Perspektive, die die Praxisebene einbindet, würde dazu führen, dass Informationen und Wissen um eine rechtssichere Durchführung der Kurse leichter zugänglich wären und Fragen und Unsicherheiten zeitnah geklärt werden könnten. Es gäbe keine Kultur des Historienwissens, in der wichtige Informationen, die man für eine rechts- und damit auch abrechnungssichere Durchführung der Kurse benötigt, chronologisch über die verschiedenen Informationskanäle wie Trägerrundschreiben, Abrechnungsrichtlinien, Durchführungsverordnungen, eMails der BAMF-Außenstellen etc. verteilt sind (
Beispiel). Eine Kultur, die konsequent mit Blick auf guten Unterricht denkt, würde Fachbereichsleitungen fragen: Was brauchst Du? Wie können wir Dich unterstützen, damit Du in unserem gemeinsamen Interesse die Kurse gut begleiten kannst?
Eine Kultur, die transparent wäre, würde die aktuellen Finanzierungsschwierigkeiten und prekären Beschäftigungsverhältnisse sichtbar machen.
Lehrkräfte (und Fortbildner*innen) würden als Expert*innen und als Verantwortliche für guten Unterricht nicht nur finanziell, sondern auch in ihrer Rolle und in ihrer Lehrtätigkeit unterstützt und gestärkt. Auch hier müsste der Blick des Bundes eigentlich konsequent auf die Lehrkräfte gerichtet sein mit der Frage „Was braucht Ihr? Wie können wir Euch unterstützen, damit Ihr gut unterrichten könnt?“ Der aktuelle top-down-Blick führt lediglich zu einer Defizitorientierung, wie wir in der Einführung mit der ZQ Berufssprachkurse gesehen haben: "Ich sage Dir, was Du (angeblich) alles noch nicht kannst. "
Wir wären ein Bildungsbereich mit professionellen und fachlich getragenen Strukturen über die Trägerebene hinaus, die sich auf den Unterricht und nicht auf Bürokratie und Kontrolle fokussieren. Alle paar Jahre eine Evaluation oder ZQs können keine Antwort sein. Sie geben auf viele Fragen keine Antworten oder viel zu spät. Es fehlen unabhängige und pädagogisch getragene Fachstellen, wie wir sie ansatzweise mit IQ haben.
Es gäbe noch viele Punkte mehr, in denen unsere Mitglieder erheblichen Reformbedarf sehen.
Aktuell zeigt unser Arbeitsbereich auch nach 16 Jahren immer noch Anzeichen einer Projektstruktur. Wir hoffen, dass die Analysefähigkeit und der Reformwillen der voraussichtlich neuen Bundesregierung nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern dass sie uns darin unterstützen, die Integrations- und Berufssprachkurse als Bildungsbereich professionell, zielorientiert und agil neu ausrichten können.