Die erschütternden Bilder antisemitischer Proteste in Deutschland vor Synagogen haben
Politiker*innen aller Parteien
dazu bewogen, u.a. auch die Orientierungskurse als Orte der Vermittlung von grundgesetzlichen Werten stärker in die Pflicht zu rufen. Abgesehen davon, dass Wertevermittlung in sowohl zeitlich als auch sprachlich begrenzten Formaten nur Impulse setzen, aber nicht von jetzt auf gleich Haltungen verändern kann, müssen wir uns selbst immer wieder auf den Prüfstand stellen, wie wir gesellschaftspolitische Themen in der Bildungsarbeit aufbereiten. Das fängt mit einer gründlichen Prüfung der Begrifflichkeit an. Während man in der Öffentlichkeit schnell den Begriff des "eingewanderten Antisemitismus" geprägt hat und im Kontext auf muslimische Migrant*innen fokussiert, müssen wir als Bildungsarbeitende deutlich achtsamer in der Wahl der Begrifflichkeit sein. Antisemitismus ist zum einen in der bundesdeutschen Bevölkerung als Vorurteil und in unterschiedlichen Ausprägungen i
n allen Bevölkerungsgruppen
und nicht nur unter Migrant*innen vertreten. Problematisch ist an dem Begriff zudem, dass er oft einen direkten und ursächlichen Zusammenhang zwischen der Religion des Islam und antisemitischen Sichtweisen, Haltungen oder Weltanschauungen suggeriert. Entsprechend oft ist die Rede von einem "islamischen", "muslimischen" oder "arabischen" Antisemitismus. Aufgrund dieser Verengung geraten andere zentrale Herkunftsländer – etwa Polen, Russland oder Kasachstan – aus dem Blick. Auch die
Bundeszentrale für politische Bildung
warnt vor einer vereinfachenden Sichtweise. Das Thema Antisemitismus ist zu komplex, um es ohne eine eigene gründliche Reflexion des Themas mit in den Unterricht zu nehmen. Mit der guten Aufbereitung des schwierigen Themas bietet
"anders denken", eine online-Plattform für Antisemitismuskritik und Bildunsgarbeit vielfältige Zugänge, auch, um die Trennschärfe Antisemitismus und Kritik an der Politik des Staates Israel sicher bearbeiten zu können. Auf der Plattform findet man auch
Angebote antisemitismuskritischer Bildungsarbeit,
leider konzentriert sich diese in der Zielgruppe wie die meisten Materialien im Netz auf Jugendliche und junge Erwachsene.
Eine Frage, die sich immer wieder für DaZ-Lehrende in Orientierungskursen stellt, ist die Frage der Positionierung, gilt doch in der politischen Bildung der
Beutelsbacher Konsens
als "Goldstandard" der Vermittlung. Immer wieder formulieren Kolleg*innen ihre Unsicherheit darüber, wie weit man in Orientierungskursen seine eigenen Werte und Überzeugungen einbringen kann und darf. Auch wenn er sich primär auf Schule und AfD ausrichtet, kann man Hannah Hübners Gastbeitrag in der
"Zeit"
gut als Resonanzboden für die Positionierung von Werten und Haltungen in Orientierungskursen nutzen. Schaut ab und an mal unter unseren
Terminen
vorbei, wir versuchen, in der nächsten Zeit ein entsprechendes Fortbildungsangebot anzubieten.